Kefah aus Syrien

Kefah (38) studierte Fine Arts an der Universität von Damaskus. 2011 ging sie auf die Straße, um für Frieden, Freiheit und Demokratie zu demonstrieren. Viermal wurde sie dafür vom Regime verhaftet. 2013 floh sie aus Syrien. Viele ihrer Freunde sitzen noch heute im Gefängnis, oder wurden umgebracht. Kefah lebt in Berlin und arbeitet als Schriftstellerin und Malerin.

Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Kefah?

„Ich erinnere mich, als ich morgens aus einem Traum erwachte und einfach nur super glücklich war. Damals saß ich in Einzelhaft, in einer winzigen Zelle ohne Fenster. Ich begann zu singen. Der Wärter schrie mich an: Sei still. Also hörte ich auf zu singen, aber mein Gefühl von Glück war ungebrochen. Bis heute weiß ich nicht wirklich, woher dieses Gefühl kam. Aber ich bin jeden Tag glücklich, wenn ich mich um meine Pflanzen kümmere oder spazieren gehe. Das Glück wächst mit den kleinen Dingen. Vor allem hängt das Gefühl von Glück davon ab, welche Entscheidung man für sich trifft. Ist das Glas halb voll, oder halb leer? Und selbst wenn es leer ist, kann ich mich fragen: Womit will ich das Glas füllen? Wichtig ist, den Sinn zu finden, mit dem man sein Leben füllen möchte.“

Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?

„Unser Leben verläuft nicht linear. Alles ändert sich ständig. Das sieht man auch an der Natur. Aber für mich gibt es ein Kontinuum: Ich bin glücklich mit mir selbst, weil ich ehrlich zu mir bin. Ich kenne und akzeptiere meine Stärken und meine Schwächen. Das macht es mir leicht, mich selbst zu mögen.“

Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?

„Wir müssen lernen, uns selbst zu lieben. Denn je mehr wir uns selbst lieben, desto leichter wird es uns fallen, selbst die Menschen zu akzeptieren, die auf der Seite des Diktators stehen. Das ist wichtig, denn am Ende werden wir uns Syrien teilen müssen. Rache kann nicht die Lösung sein. Rache fordert nur weitere Opfer. Mein Wunsch ist, dass der syrische Diktator für seine Gräueltaten vor ein Gericht gestellt wird und die Erfahrung macht, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Ihm soll aber ein fairer Prozess gemacht werden, indem ihm nicht das angetan wird, was er uns angetan hat: Folter und Tod.“

 

Berlin, Deutschland, April 2021

Judith Döker