Anand aus Indien
Anands (32) Vater war sowohl emotional, als auch finanziell immer für alle da. Als er starb, fühlte Anand sich verpflichtet, in seine Fußstapfen zu treten. „Völlig kopflos verließ ich meine Heimat und nahm einen Job in Neu Delhi an, der toxisch war. Ich begann, Alkohol zu trinken, Drogen zu nehmen und wurde depressiv. Ich wurde gefeuert und hatte noch nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf. Der erste Schritt zur Heilung war, Menschen um Hilfe zu bitten, von denen ich eigentlich dachte, dass ich ihnen helfen müsse. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass sie mir gerne halfen und gar nichts von mir erwarteten. Der zweite Schritt zur Heilung war, zurück zu meiner Familie nach Mumbai zu ziehen.
Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Anand?
„Ich finde die Frage schwer zu beantworten, weil ich häufig Glück erlebe, es im nächsten Moment aber hinterfrage. Ein Beispiel: Ich habe eben Pokémon Go auf meinem Handy gespielt und einen sehr seltenen Pokémon gefangen (lacht). In dem Moment war ich total glücklich. Und kurz danach denke ich: Kann mich sowas wirklich glücklich machen?“
Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?
„Ich muss noch viel besser auf mich achten. Denn nur wenn ich selbst glücklich bin, kann ich auch andere glücklich machen. Und was ich gerade realisiere: Ich vergleiche ständig mein Leben vor dem Tod meines Vaters mit meinem Leben danach. Dieser Gedanke tut mir nicht gut. Den sollte ich gehen lassen.“
Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?
„Laufe erst in den Schuhen eines anderen, bevor Du urteilst. Was ich damit meine: Indien ist sehr divers. Es gibt so viele verschiedene religiöse und kulturelle Gruppierungen. Aber die Politik trifft oft Entscheidungen, ohne die Betroffenen vorher gefragt zu haben, wie es für sie am besten wäre. Was mich betrifft: Ich möchte bereit sein, meine Meinung zu ändern, wenn ich feststelle, dass ich mich irre. Ein Beispiel: Ich wuchs in dem Glauben auf, dass es nur Frauen und Männer gibt und es fiel mir schwer, diesen Gedanken zu verabschieden. Aber ich denke, Veränderung beginnt mit mir selbst.“
Mumbai, Indien, August 2019