Shipra aus Indien

 

Shipra (50) arbeitet seit zwanzig Jahren als Hausangestellte in Mumbai, Indien. Ihr Tag beginnt morgens um sechs Uhr und endet um einundzwanzig Uhr – und das jeden Tag. In Indien beschäftigt jeder Haushalt der Mittel- und Oberschicht täglich mindestens eine sogenannte Maid, die aus den Slums der Stadt kommen. Der Job ist körperlich anstrengend und wird sehr schlecht bezahlt.

Aufgewachsen ist Shipra in Kalkutta. Mit achtzehn Jahren heiratete sie einen jungen Mann aus ihrer Nachbarschaft. Es war eine Liebesheirat, keine arrangierte Ehe, wie es in großen Teilen Indiens immer noch üblich ist. „Eigentlich sollte der Tag der Hochzeit der glücklichste in meinem Leben sein. Aber ich war sehr unglücklich“, sagt sie und fängt an zu weinen. „Ich wollte, dass meine Eltern stolz auf mich sind. Aber sie waren mit meiner Hochzeit nicht einverstanden.“ Shipra ist Mutter eines Sohnes (32) und einer Tochter (30). Ihr Mann starb vor fünfzehn Jahren.

Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Shipra?

Sie schüttelt den Kopf und weint. „Glück habe ich nie kennengelernt.“ Auch die Geburt ihrer Kinder verbindet sie nicht mit einem Gefühl von Glück. „Meine Mutter war nicht da, weil sie nicht einverstanden war.“ Am ehesten habe sie Glück erlebt, als sie vor zweiunddreißig Jahren mit ihrem Mann und ihrem neugeborenen Sohn von Kalkutta nach Mumbai zog. „An Bombay mag ich alles.“

Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?

„Mich würde es glücklich machen, wenn meine Kinder glücklich sind.“ Einen Wunsch für sich selbst hat sie nicht. „Nein. Es hat mit den Kindern zu tun“, sagt sie.

Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?

„Die Dinge sollten preiswerter sein, damit mehr Menschen Zugang haben. Das würde alle Menschen glücklicher machen.“

Mumbai, Indien, Juli 2019

Judith Döker