Hamida aus Indien

 

Hamida (68) hat sich kurz nach dem Unfalltod ihres Sohnes das Zeichen des Imams Ali sowie das Wort „Hilfe“ auf ihren rechten Unterarm stechen lassen, obwohl Tätowierungen in ihrer muslimischen Gemeinde streng verboten sind. „Das Tattoo ist etwas zwischen Gott und mir und geht sonst niemanden etwas an. Ich war schon immer sehr eigen“, sagt sie und lacht. Trotz drei Kindern hat sie ihr Leben lang gearbeitet, was für Frauen ihrer Zeit und Kultur sehr ungewöhnlich war. Sie begann als Telefonistin und arbeitete sich bis in die Managementebene eines Ölkonzerns hoch.“

Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Hamida?

„Ich wuchs in einem reinen Frauenhaushalt auf. Ohne Vater und Brüder. Meine Schwiegermutter pflanzte in mir den Zweifel, dass ich niemals einen Jungen zur Welt bringen kann. Deshalb betete ich zu Gott: Sollte ich keinen Jungen bekommen, verlierst Du eine Anhängerin. Ja, so habe ich damals mit ihm gesprochen. Ich war wohl ziemlich unreif (lacht). Die 25 Jahre, die ich mit meinem wunderbaren Sohn verbrachte, waren die glücklichsten meines Lebens. Er machte unsere Familie komplett.“

Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?

„Ich bin mit der weltweiten politischen Situation sehr unglücklich. Jeder Mensch sollte sich aus dieser Erde frei bewegen können, ohne Begrenzungen. Wir sollten unser Gegenüber als menschliches Wesen wahrnehmen. Seit meiner Pensionierung verbringe ich jeden Tag rund 7 Stunden in Meditation und bitte Gott, eine Welt zu erschaffen, in der Menschlichkeit herrscht. Ich bete für alle Menschen und für ihr Glück.“

Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?

„Ich bin mit unserer aktuellen (Hindu-) Regierung sehr unglücklich. Manchmal wünsche ich mir einen König, oder einen Diktator, so wie in Saudi-Arabien. Wenn jemand einen Raub begeht: Hand ab. Wenn jemand vergewaltigt: Hand ab, Schwanz ab, ihn erblinden und dann soll er gesteinigt werden. Wenn ich eine Diktatorin wäre, würde ich es so machen. Aber unser größtes Problem sind nicht die Vergewaltigungen. Das größte Problem in diesem Land ist die Armut. Dagegen hilft Bildung. Bildung bräuchten wir aber auch in der Politik. Für so viele Berufe braucht man eine gute Ausbildung, aber nicht, wenn man dieses Land regieren will. Warum?”

Mumbai, Indien, Juli 2019

Judith Döker