Sandra aus Frankreich

 

Sandra (40) erinnert sich noch genau an einen Fernsehbericht, den sie als 7-jährige über hungernde Kinder in Afrika sah. „Ich war zutiefst geschockt, wie Erwachsene das zulassen können.“ Als Teenager wurde sie depressiv, weil sie keinen Sinn im Leben sah. Sie begann zu trinken, Drogen zu nehmen und wachte morgens in irgendwelchen Betten auf. Mit 19 Jahren wurde sie ungewollt schwanger. „Dieses Baby war wie eine Initiation. Zum ersten Mal spürte ich bedingungslose Liebe.“ Dann erkrankte sie an Krebs und lag drei Wochen im Koma. „Der erste kleine Spaziergang nach der Nahtoderfahrung war mystisch. Ich spürte das Gras unter meinen Füßen und begriff, wie kostbar dieses Leben ist.“

Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Sandra?

„Heute morgen, als ich meditierte. Es ist schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Ich habe etwas gespürt, was ich als Hoffnung beschreiben würde. Ich hatte immer einen sehr pessimistischen Blick auf die Menschheit. Aber heute morgen habe ich etwas ganz anderes gespürt. Das Wort Perfektion kam mir in den Sinn. Noch nie habe ich die Menschheit durch die Brille der Perfektion gesehen. Pure Schönheit, pures Licht, purer Frieden.”

Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?

„In meinem Alltag arbeite ich ständig irgendwelche Listen ab. Ich renne von A nach B und komme kaum hinterher. Im Urlaub erlaube ich mir, einfach nur zu genießen, ohne auf die Uhr zu schauen. Dadurch entsteht ein Raum, der mir unglaubliches Glück beschert, ohne dass irgendetwas Besonderes passieren muss. Wenn ich diesen Raum, der außerhalb der Zeit existiert, in meinen Alltag integrieren könnte, wäre ich sehr viel glücklicher. Ich würde wirklich gerne aus diesem ganzen Wahnsinn aussteigen.”

Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?

„Mehr Kontakt zur Natur. Die Städte in Frankreich sollten unbedingt begrünt werden, damit wir uns als Teil der Natur begreifen können. Mein Mann und ich planen gerade mit 15 anderen Leuten ein Öko-Dorf in Frankreich zu gründen, wo wir Yogakurse anbieten und unsere eigenen Nahrungsmittel anbauen. Meine größte Motivation ist mein Sohn, der mich immer ermahnt: „Mama, hör auf, darüber zu reden. Tu was!“

Auroville, Indien, Juni 2019

 

 

Judith Döker