Hans-Jürgen aus Köln

 
 
 

Hans-Jürgen (61) war viele Jahre lang obdachlos. Seit einem Jahr lebt er in einem Übergangswohnheim für Männer. „Dort gibt es viele Hunde, und der Alkohol fließt“, sagt er mit hochgezogener Augenbraue.

Wann warst Du das letzte Mal glücklich, Hans-Jürgen?

„Ich bin jeden Tag glücklich. Das war natürlich nicht immer so. Aber ich steh mit einem Lachen auf und geh mit einem Lachen ins Bett, weil ich alles locker nehme. In Deutschland haben wir einen extremen Stressfaktor. Der macht die Menschen kaputt. Seit über zwanzig Jahren mach ich Tai-Chi, Yoga und eine spezielle Atemübung, die nennt man Pranayama. Die hat mir mal ein weiser Mann beigebracht. Seitdem benötige ich keinen Arzt mehr. Auch das Glück habe ich aus dem Fernöstlichen gelernt. Schon Laotse sagte: ‚Wenn Du gehst, dann geh. Dann mach nicht gleichzeitig noch hunderttausend andere Dinge.‘ Im Land des Lächelns leben sie bewusster, sie atmen bewusster. Das Fernöstliche fasziniert mich.“

 

Was kannst Du tun, damit Du häufiger Glück erlebst?

„Zum richtigen Glück gehört natürlich auch ein bisschen finanzielle Sicherheit. Geld alleine macht nicht glücklich, das ist klar. Aber ein bisschen besser würde ich schon gerne leben. Ein weiser Mann hat mir mal gesagt: ‚Steck Dein Ziel so hoch, bis in die Wolken, sodass du es nicht erreichen kannst. Aber wenn du die Hälfte davon erreichst, dann bist du zufrieden und hast immer noch ein Ziel.‘”

 

Was müsste in Deinem Land passieren, damit die Menschen dort glücklicher zusammenleben?

„Die Menschen müssten aufeinander zugehen. Aber zu viel Multikulti ist für Deutschland auch nicht gut, weil viele den deutschen Sozialstaat ausnutzen. Das schürt Hass. Warum gehen die Leute nicht in ihrem Heimatland auf die Barrikaden und stürmen den Präsidentenpalast? Alle können die doch nicht abknallen. Aber stattdessen sehen sie, da gibt es ein Land in Europa, da fließt Milch und Honig, da muss ich erst mal nicht arbeiten und krieg Hartz IV.“

 

Ist das so?

„Natürlich wollen viele von denen in Deutschland auch was aufbauen. Ich sag immer, die Hand hat fünf Finger und jeder ist anders.“

 

Köln, Deutschland, Juni 2019

Judith Döker